Was hat Gamifaction mit der Bundeswehr zu tun?

Nichts. Und trotzdem werde ich über beides hier schreiben. Denn unser erster Stopp am Donnerstag war in Köln bei Ibrahim Evsan, genannt Ibo, von United Prototype. Dieses junge Unternehmen versucht, im Markt der Social Games Fuß zu fassen bzw. nach eigenen Angaben den Sektor der Social Games zu revolutionieren, da bestehende Games wie Farmville nichts mit social zu tun hätten. Das Produkt, das noch im Betastatus liegt, kann bereits gespielt werden und die Nutzerzahlen seien vielversprechend hoch.

“Wir brauchen ein virtuelles Zuhause.” (Ibrahim Evsan)

Screenshot fliplife.com
Das Team von United Prototype, allen voran Ibo und Tom Bachem, sind wahre Freidenker, die Visionen haben und neue Ideen umsetzen wollen. Trotzdem bin ich sehr skeptisch, ob sich die Vorhersagen der beiden in der Art bewahrheiten werden.
Social Games (ich zähle auch Farmville dazu) sind längst kein Nischenprodukt mehr; damit wird richtig Geld gemacht. Sowohl bei den Herstellern (z.B. Zynga) als auch bei den integrierenden Plattformen wie Facebook. Fliplife ist für mich auf Basis der Präsentation zwar anders als Farmville, bedient aber zunächst das gleiche Klientel. Wie gut der Um- bzw. Ausstieg von bestehenden Systemen zu neuen funktioniert oder auch nicht, zeigt sich für mich in Facebook und Google+.
Die Visionen bzw. die Preview der nächsten Version von fliplife gehen soweit, dass reale Unternehmen sich mit Aufgaben für die Spieler einkaufen können. Überhaupt soll alles sehr real angelegt sein. Arbeiten, Ausruhen, Arbeiten usw. Dabei kann man die Karriereleiter hoch klettern und somit mehr verdienen und auch noch mehr arbeiten – Kapitalismus pur. Wo bleibt da das Social in Social Game? In einer (weiteren) Freundesliste, durch die man – wenn ich es richtig verstanden habe – auch mit Freunden zusammen Aufträge erledigen kann. Ein weiterer Schritt soll die Integration einer Crowdsourcing-Plattform sein. Durch die Spieltätigkeit hätten sich Nutzer Fähigkeiten angeeignet, bzw. sich als Experte auf einem bestimmten Gebiet profiliert, womit die richtigen Personen für eine bestimmte Aufgabe gefunden werden könnte. Auch hier kommt meine Kritikkeule raus, denn ich sehe kaum einen Zusammenhang zwischen Social Gamern und Croudsourcern. Jemand, der ein Social Game spielt, ist doch kein User einer Crowdsourcing-Plattform. Ohne das belegen zu können, vermute ich einen Großteil der Social Gamer in der Altersgruppe 12-17, was wohl kaum die Zielgruppe von Unternehmen zum Crowdsourcing sein kann. Aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und drücke die Daumen, dass es doch klappt.

Offiziersheim in Köln-Wahn

Der zweite Teil des Tages fand auf dem Bundeswehrgelände der Luftwaffe (Köln/Bonn Airport) in Köln-Wahn statt. Ich war überrascht, was es auf dem weitläufigen Gelände alles gibt (Spielplatz, Schwimmbad, Tennisplätze, verschiedene Cafés und große Sportanlagen). Die Veranstaltung im Offiziersheim (ein etwas altbackener Bau, mit der Einrichtung von 1970 und inklusive Pabst) war interessant und hätte doch besser sein können. Anwesend waren verschiedene Dienstgrade (von denen ich keine Ahnung habe) aus verschiedenen Abteilungen, die irgendwie etwas mit Social Media oder IT zutun haben oder es sich wünschen. Es gab zwei Richtungen in der Diskussion:

  1. Social Media zur externen Verwendung für z.B. Recruiting
  2. Netzwerke innerhalb des Unternehmes Bundeswehr zum z.B. Wissensmanagement

Letztere wurde leider viel zu schnell abgetan mit der Begründung, es gebe klare Strukturen innerhalb der Bundeswehr, kollektives Wissen scheint uninteressant. Außerdem gäbe es viel zu große Sicherheitsbedenken. Es ist klar, dass keine operativen Details über ein internes Social Network verbreitet werden dürfen. Aber ich spreche von Verwaltung und von wiederkehrenden Prozessen innerhalb des Unternehmens Bundeswehr, das nicht mehr Sicherheit bedarf als z.B. Rheinmetall, welches auch schon länger intern ein Social Network einsetzt. Ein Teilnehmer aus der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit brachte es ganz gut auf den Punkt, als er sagte, die entscheidenden Positionen würden nicht wissen, was Social Media sei und hätten Angst davor. Man könnte viel mehr machen, wenn man denn dürfte.

Die andere Seite, die externe Kommunikation und Werbung für die Bundeswehr, ist natürlich schon sehr viel weiter und nutz moderne Kanäle wie Facebook. Aber hier ist auch eine klare Konkurrenz zur freien Wirtschaft zu erkennen und die Bundeswehr ist gezwungen, neue Leute zu finden.
So habe ich die Bundeswehr als furchtbar komplizierten Verwaltungsapparat kennengelernt, wo der eine nicht weiß, was der andere macht. Die Entscheidungsträger haben Angst und eine Strategie existiert auch nicht. Die Ausführenden würden gerne mehr machen, dürfen aber nicht. Mit der Folge, dass sie es teilweise trotzdem machen, dann sogar extern und kaum geschützt. Da sehe ich nämlich auch eine sehr große Gefahr: Wenn nicht geschützte Kanäle zur Verfügung gestellt werden, suchen sich Leute, die etwas loswerden wollen einen offenen Kanal mit vielleicht fatalen Folgen.